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Panorama Kripo Köln

Ein „Tatort“ vom Rand des Rechtsstaats

Da haben wir aber Glück gehabt: Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) wird vor eine fahrende U-Bahn gestoßen – und überlebt Da haben wir aber Glück gehabt: Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) wird vor eine fahrende U-Bahn gestoßen – und überlebt
Da haben wir aber Glück gehabt: Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) wird vor eine fahrende U-Bahn gestoßen – und überlebt
Quelle: WDR/Martin Menke
Spurensicherung in Köln: Was waren die größten Aufreger im WDR-„Tatort Ohnmacht“? Und was wird bleiben von Schenks und Ballaufs Fall um Jugendgewalt und die Kultur des Wegschauens?

Auch am Sonntagabend ging es im Ersten um die Wurst. Wobei: Viel Zeit für schlechte Kalauer ließ einem dieser „Tatort“ nicht, so schnell wie hier ist noch selten in einer Folge die Stimmung gekippt.

Erst noch kölsche Gemütlichkeit an der Imbissbude am Rhein, Currywurst wie immer für Ballauf und Schenk, aber nein: Currywurst ist alle, der Typ am Stehtisch nebendran hat die letzte gekriegt.

Schenk trollte sich, Ballauf nahm sich noch ein Bier mit auf den Weg. Eine trügerische Behäbigkeit war das, Entschleunigung pur, nur um dieses Spießeridyll sogleich heftigstmöglich zerstören zu können.

Keine Currywurst mehr, was für ein Omen! Ballauf taumelte dann nichtsahnend auf einen halluzinierend gleißenden U-Bahnsteig, wo ein junger Bursche gerade von anderen Jugendlichen verkloppt wurde.

Der Kriminalhauptkommissar griff ein, wurde selbst niedergeschlagen, als er gerade wieder zu sich kam, schmiss ihn ein Randalierer vor den hereinfahrenden Zug. Notbremsung, quälende Sekunden, bis der ebenso verdatterte wie geistesgegenwärtige Ballauf unverletzt wieder unter dem Zug hervorkroch. Durchatmen.

Der Junge allerdings hatte nicht so viel Glück. Es war so ziemlich das letzte Mal, dass in diesem bleichen, kalten „Tatort“ die Farbe Rot zu sehen war.

Schock und Beklemmung auf Twitter

Der Rest bot dann vieles von dem, wofür manche die Krimireihe innig lieben und andere sie abgrundtief hassen. Es ging um das Wegschauen, sozialkritisch, moralisch, wenn man so will: mit erhobenem Zeigefinger. Und es ging um verzogene, gelangweilte, gewaltgeile Teenager. Auf Twitter lösten sich Schock und Beklemmung ab, ungewöhnlich nah dran an der Wirklichkeit verorteten die User den Fall. So wie @MCCBK ging es vielen von ihnen:

Großbürgerliche Verhältnisse brüten hier neurotische Schläger aus, die Schuhe stehen in Reih und Glied, das teure Auto wird gewaschen, wer alles hat, findet Befriedigung wohl nur noch im exzessiven Ausbruch. „Diese Mutter – mein Albtraumfrauenbild. Die weckt Aggressionen“, stellte etwa Eva Spengler auf Facebook fest.

@diesturm überzeugte die tatsächlich etwas holzschnittartig dargebrachte Gesellschaftskritik allerdings weniger:

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Beinahe untergegangen wäre dabei der Rollentausch, den die Kommissare dieses Mal vornahmen. Der breite, grummelige Schenk gab den gesetzestreuen Ruhepol der Ermittlungen, sein traumatisierter Kollege Ballauf ging verständlicherweise etwas emotionaler zur Sache. Twitter-User @youdid311 war wenig überzeugt:

Was dem Ballauf dabei natürlich total zuwider war: diese „Streicheleinheiten“ im Jugendstrafrecht, „ein bisschen Blätteraufsammeln im Park oder so’n Scheiß“, das war’s schon für versuchten Totschlag.

Tatsächlich spielte sich die Handlung entweder in Vorstadthäusern oder im Revier ab, Verhöre, Abblitzen bei der Haftrichterin, neue Indizien aus digitalen Spuren, neue Verhöre. Dem Rechtsstaat blieb da nur die Rolle des Spielverderbers. @davinicet drückte es so aus:

Die Dramaturgie des Falls allerdings drängte einen eher zur Identifikation mit dem hitzigen Kommissar. Die meisten User, die sich zu Wort meldeten, sahen es ähnlich wie Michael Krabbe auf Facebook: „Das ist der tägliche Wahnsinn heute mit den Jugendlichen... weil sie alle keinen Respekt mehr haben... “

Ein bleicher, kalter „Tatort“ war das also, der aber die Kommentatoren in den sozialen Netzwerken keineswegs kalt ließ. Wie hitzig aber auch immer zuvor diskutiert worden war, in der Bewertung gab es durch die Bank Applaus für die Folge.

Gaby Haucks erklärte ihre Begeisterung auf Facebook so: „Warum werden aus Kindern solch böse Menschen? Warum haben manche Leute eine Hemmschwelle und die anderen nicht? Man kommt oft nie dahinter, und da ist der Titel ‚Ohnmacht‘ gut gewählt. Guter ,Tatort‘. Macht nachdenklich.“

Und @KingFarlane fasste einfach die Reaktion der meisten Twitter-User kurz und bündig zusammen:

Eine Täterin, heimgeschickt aus der U-Haft, wurde an diesem Ende von ihrem Vater dahingemeuchelt, den sie zuvor fälschlich des sexuellen Missbrauchs beschuldigt hatte. Ballauf und Schenk waren mit ihrer neuen Assistentin da schon wieder zum Currywurst-Futtern angetreten. Und dann doch noch einmal die Farbe Rot.

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